Maßgefertigt

Wie eine zweite Haut. Ein Schuh, der perfekt an den Fuß angepasst ist, lässt einen wie auf Wolken gehen. Viel Zeit, Können und Geschick sowie liebevolle Handarbeit braucht es, damit solch ein maßgefertigter Schuh entsteht. Wir haben dem Meister dieses Handwerks, Herbert Haderer, über die Schulter geschaut.

Text: Doris Thallinger · Fotos: Haderer Schuhe
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Anhand des Leistens werden die Schnittmuster gezeichnet.

Fein glänzend steht er da – ein Schuh, der höchsten Qualitätsanforderungen entspricht, sich perfekt an den Fuß anpasst und ihn wie eine zweite Haut umhüllt.

Insgesamt 35 Stunden Handarbeit stecken in diesem Fußkleid, das maßgefertigt seinen künftigen Besitzer die nächsten Jahre – oder besser Jahrzehnte durchs Leben tragen wird. „Die Grundlage für jeden Maßschuh ist der Leisten“, erklärt Herbert Haderer, der in seiner gut eingerichteten Werkstätte in Großgmain Damen- und Herrenschuhe nach Maß fertigt. Um diesen passgenau herzustellen, wird im ersten Schritt der Fuß genauestens vermessen und untersucht. Aufgrund dieser Zeichnungen wird schließlich der Leisten aus dem Buchenholz-Rohblock geschnitten und gefräst, von Hand aufgebaut und solange korrigiert und geschliffen, bis er exakt einem Modell des Fußes entspricht.

Nun geht es an die feineren Arbeiten. Nach der Vorlage des Leistens werden Schnittmuster angefertigt, nach denen wiederum das Leder zugeschnitten wird. Vorab hat der Kunde bereits ausgewählt, welches Leder in welcher Farbe er wünscht. „Beim Oberleder verwenden wir zu 80 Prozent Kalbsleder“, so Herbert Haderer, der den Familienbetrieb in dritter Generation betreibt, „das Leder ist pflanzlich gegerbt, dieses kaufen wir zu – jedoch färben wir das Leder seit vielen Jahren auch selbst ein.“ Ein sehr aufwändiger Arbeitsschritt, doch zum Vorteil des Kunden: „Dadurch sind wir in der Farbgebung sehr flexibel und können auch spannende Schattierungen ins Leder bringen.“ Das bringt Lebendigkeit in die Optik und verdeutlicht einmal mehr die Einzigartigkeit eines jeden Schuhs. „Der Kunde kann die Farbnuancierung wählen, jedoch nimmt jedes Leder die Farbe anders auf, sodass der Charakter des Schuhs als Unikat noch deutlicher sichtbar wird.“

Vergleichbar mit der Arbeit eines Schneiders wird jedes Lederteil nun nach den Schnittmustern zugeschnitten und zusammengenäht. Schließlich wird das Oberteil über den Leisten gespannt, bzw. gezwickt, wie es im Fachjargon heißt, und mit Eisennägeln befestigt. 

Im nächsten Schritt wird die Brandsohle, die selbstverständlich ebenfalls aufgrund des Leistenmodells zugeschnitten wurde, angeheftet und mit dem Oberleder sowie dem Rahmen vernäht. 

Von Hand genäht

In der Werkstätte von Herbert Haderer wird jeder Schuh handgenäht. „Natürlich könnte man auch mit Maschinen nähen, aber bei Maßschuhen sind die Formen so unterschiedlich, dass die Handnaht besser geeignet ist. Und natürlich ist die Handnaht etwas Besonderes, so fein nähen zu können, ist schon ein besonderes Können“, schmunzelt der Schuhmachermeister.

Spezielles Merkmal seiner Maßschuhe: Sie sind allesamt zweimal genäht. Die Zwienaht ist eine Besonderheit der Rahmennaht – bei robusteren Modellen, wie Wanderschuhen, ist die Zwienaht durch die zwei Nähte leicht erkennbar. Bei der Rahmennaht sieht man nur eine Naht, was den Schuh schlanker erscheinen lässt.

Sind Oberleder, Brandsohle und Rahmen vernäht, wird die Fußfläche mit Kork aufgefüllt, bevor die Ledersohle angenäht wird. „Der Vorteil von Kork ist, dass er sich als Naturmaterial ebenfalls formt und dem Fuß des Trägers anpasst. Auch, dass selbst die Verstärkungsmaterialien wie Vorder- und Hinterkappe ausschließlich aus Leder gefertigt sind, wirkt sich auf die Trageeigenschaft aus: „Ein Schuh, der vollkommen mit Leder ausgestattet ist, passt sich besser an“, so Herbert Haderer.

Lediglich die Anbringung einer Gummisohle über die Ledersohle ist sinnvoll: „Leder ist in der Nässe empfindlicher. Wenn man den Schuh ständig bei Nässe strapaziert, wäre es schade um die Ledersohle. Wenn sie einmal nass wird, ist das aber auch kein Unglück – mit einem Schuhspanner kommt der Schuh rasch wieder in seine Form!“

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Jeder Maßschuh wird zwei Mal von Hand genäht.

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Die Einzelteile des Oberleders werden vernäht.

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Das Bodenleder, aus dem der Rahmen gestanzt wird, ist im trockenen Zustand „bretthart“.

Gepflegter Auftritt

Ein Schuhspanner aus Holz sollte übrigens ohnehin in keinem Haushalt fehlen! „Im Schuh entsteht, wenn er den ganzen Tag getragen wird, eine gewisse Feuchtigkeit. Das Leder ist sehr hautfreundlich und nimmt diese Feuchtigkeit gut auf. Über Nacht gibt das Leder die Feuchtigkeit wieder ab, trocknet aus und zieht sich zusammen. Mit dem Schuhspanner bleibt der Schuh trocken und in Form. Darum ist es zweckmäßig, diesen nach jedem Mal Tragen zu verwenden“, empfiehlt Herbert Haderer.

Und auch für die regelmäßige Schuhpflege hat er einige Tipps parat: Je nach Verschmutzung wird der Schuh zuerst mit Wasser und einer etwas gröberen Bürste gereinigt. „Ein wichtiger Schritt der Schuhpflege ist es schon, den Schuh in die Hand zu nehmen und zu kontrollieren, ob alles in Ordnung ist.“ Schließlich wird die Schuhcreme mit einem feinen Tuch aufgetragen und abgerieben, die Creme reinigt und pflegt zugleich. Nach dem Aufpolieren sollte der Schuh wie neu glänzen: „Es ist schon etwas Arbeit, den Schuh richtig zu pflegen, aber wenn man das Ergebnis sieht, ist es den Aufwand mehr als wert!“

Richtig eingesetzt und gepflegt ist ein maßgefertigter Schuh Begleiter für viele Jahre und auf vielen Wegen. „Der Schuh passt natürlich vom ersten Augenblick an, die wahre Feinheit, den richtigen Komfort erlangt er aber, nachdem er ein paar Monate getragen wurde. Dann ist er richtig eingetragen, wie eine zweite Haut! Das Um und Auf eines maßgefertigten Schuhs ist, dass er dann auch 15 bis 20 Jahre oder länger nicht nur hält, sondern in Form bleibt und gut zu tragen ist!“

Dass manche Schuhe aus der Werkstätte Haderer sogar viel länger halten, zeigte sich erst kürzlich: Ein jeder Schuh aus dem Hause Haderer ist mit einer fortlaufenden Nummer versehen – so auch jenes Paar Damenschuhe, das vor nicht allzu langer Zeit auf einem Flohmarkt auftauchte und neue Besitzer fand. Diese wollten mehr über die Geschichte des Schuhs erfahren und wandten sich mit ihrem Anliegen an Herbert Haderer. „Es handelte sich dabei um ein Paar Damenschuhe, das mein Großvater 1927, in der Zwischenkriegszeit, gefertigt hat, sehr auffällige und elegante Abendschuhe. Das Ehepaar, das die Schuhe damals fertigen ließ, ist in den Kriegswirren nach Australien ausgewandert. Aber die Schuhe sind nun, fast hundert Jahre später, wieder in Salzburg aufgetaucht.“

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