Le Mans: Das härteste Straßenrennen der Welt wird 100
Am zweiten Juniwochenende feiert der Motorsport ein episches Jubiläum. Seit 1923 wird das härteste Straßenrennen der Welt am Circuit des 24 Heures bei Le Mans ausgetragen. Die Renndauer von 24 Stunden ist der ultimative Belastungstest für Fahrer und Material. Eine 100-jährige Geschichte voller Spannung, Erfolg und Tragödien.
Text: Dominic Schafflinger
Fotos: FlyAkwa Wikimedia, Porsche, GM Media Archive, Ferdi Kräling Motorsport-Bild GmbH, Richard Prince/Cadillac, Audi AG, Drew Gibson, Peugeot Stellantis, Adobe Stock
Die Faszination Motorsport speist sich aus der Gefahr und aus dem Extremen. Einmal beim Langstreckenrennen Le Mans (zumindest als Zuseher) dabei zu sein, sollte bei jedem Mann auf der Lifelong-To-Do Liste stehen. Es ist eine Hommage an die besten und mutigsten Fahrer der Welt, die sich in unvorstellbarem Tempo durch Tag und Nacht kämpfen. Hier haben viele Legenden des Motorsports wie Jacky Ickx, Tom Kristensen und Derek Bell Geschichte geschrieben.
Der Circuit des 24 Heures ist seit 100 Jahren als eine der anspruchsvollsten Rennstrecken der Welt bekannt. In den Anfangsjahren führte die noch unbefestigte Strecke auch durch die Innenstadt von Le Mans. Heute sind auf ihr 13,626 Kilometer, teilweise auf öffentlichen Straßen, zurückzulegen. So auch die sogenannte „Mulsanne Straight“, eine 6 Kilometer lange Gerade, auf der in den 80er Jahren Geschwindigkeiten bis zu 400 km/h erreicht wurden, bis sie mit zwei Schikanen entschärft wurde. Aufgrund gestiegener Sicherheitsanforderungen wurde die Streckenführung im Laufe der Jahre immer wieder geändert. Heute zeigt sich die Strecke von Le Mans als eine unglaublich fordernde Kombination aus schnellen und langsamen Kurven und High-Speed-Geraden, auf der die schnellsten Rennwagen eine Durchschnittsgeschwindigkeit von über 250 km/h erreichen.
Der größte Unfall der Renngeschichte
Der tragische Unfall von 1955 in Le Mans ging als der schwerste Unfall des Motorsports in die Geschichtsbücher ein. In der 35. Runde schnitt der Erstplatzierte Mike Hawthorn im Jaguar bei der Boxeneinfahrt den Austin-Healey von Lance Macklin, der nur nach rechts ausweichen konnte. Der dahinterfahrende Pierre Levegh konnte nicht mehr reagieren, flog über Macklins Fahrzeug in die Zuschauermenge und riss mehr als 80 Zuschauer mit in den Tod, Macklins taumelnder Austin erfasste vier Zuschauer. Der Mercedes von Levegh brannte noch mehrere Stunden, mehr als 100 Zuschauer waren verletzt, während das Rennen trotz der Katastrophe fortgesetzt wurde. Die Rennleitung gab damals an, ein Rennabbruch hätte zu einer Massenpanik geführt und die Einsatzkräfte wären nicht an die Verletzten herangekommen. Der Vorfall führte zu einer Verschärfung der Sicherheitsvorschriften im Motorsport und zum Verbot von Rennen in einigen Ländern.
Spazierend zum Sieg
1925 wurde der legendäre Laufstart eingeführt, bei dem die Fahrer von der Boxengasse zu den Fahrzeugen sprinten mussten. Nach der Einführung der Sicherheitsgurte 1969 stand dieser unter starker Kritik, da die Fahrer oft darauf verzichteten, sich anzuschnallen, um Zeit zu sparen.
Rennfahrlegende Jacky Ickx wollte mehr Sicherheit für alle. Vor laufender Kamera schlenderte er absichtlich langsam zu seinem Ford GT40 und gurtete sich sorgfältig an. Trotz des so entstandenen Rückstandes fuhren sein Partner Jackie Oliver und er als erster über die Ziellinie, knapp vor Hans Herrmann im Porsche 908 Langheck. Jacky Ickx wird Monsieur Le Mans genannt, da er das Rennen zwischen 1969 und 1982 sechs Mal gewann.
Audis Jahrzehnt des Diesels
Das 24-Stunden-Rennen von Le Mans ist nicht nur ein Meilenstein im Motorsport, sondern auch ein Katalysator für die Innovation in der Automobilindustrie – denn ein Bauteil, das die Belastungen des Rennens übersteht, wird auch ein Straßenfahrzeugleben meistern. Audi gewann 2006 das erste Mal in der Geschichte von Le Mans mit einem Diesel und 2012 bauten die Ingolstädter Ingenieure mit dem R18 e-tron quattro den ersten Diesel-Hybrid der Rennserie und siegten auch hier. Mit Tom Kristensen hatte Audi auch einen Ausnahmefahrer am Start, der die Bestenliste des 24-Stunden-Rennens mit neun Siegen noch immer klar anführt. 2016 zog Audi sich aus der LMP-Serie zurück. Die wertvollen Erfahrungen, die in Le Mans gesammelt werden, fließen als Know-how in jede Serienproduktion mit ein.
Klassen und Reglement
Das 24-Stunden-Rennen sorgt für besonders viele spannende Überholmanöver. Grund dafür sind die drei unterschiedlichen Wagenklassen, die gleichzeitig an den Start gehen. Die Hypercar Klasse ist die schnellste und technologisch fortschrittlichste Kategorie. Die Hersteller dürfen komplett eigenständige Prototypen bauen, die Geschwindigkeiten von bis zu 350 km/h erreichen. In der LMP2 Klasse, die speziell für Privatteams konzipiert ist, müssen ein einheitliches Chassis sowie Antrieb verwendet werden und die Modifikationsmöglichkeiten sind begrenzt. Eine der spannendsten Kategorien ist sicher LMGTE-Am, die seit 1923 existiert. Hier fahren umgebaute Sportwagen. Ferrari 488, Porsche 911, Chevrolet Corvette und Aston Martin Vantage treten dieses Jahr gegeneinander an und lassen das Motorsportherz höherschlagen. In der Spezialklasse ‚Garage 56‘ startet der NASCAR Chevrolet Camaro des Teams Hendrik Motorsport, das außer Wertung fährt. Hinter dem Steuer nehmen die drei Stars Jimmie Johnson, Mike Rockefeller und Jenson Button Platz. Es sind auch die unterschiedlichen Fahrzeugklassen, die Le Mans zu einem unvergesslichen Rennschauspiel machen. Langeweile existiert auf dieser Strecke nicht.
Peugeots revolutionäres Hypercar
Jedes Jahr werden in Le Mans bahnbrechende Technologien und futuristische Innovationen präsentiert, die die Branche nachhaltig beeinflussen. Dieses Jahr wartet Peugeot mit einer Revolution unter den Hypercars auf und präsentiert den 9X8 völlig ohne Heckspoiler, dieser ist in Le Mans seit beinahe 50 Jahren Standard, um die optimale Bodenhaftung der Hinterachse zu garantieren. Man darf gespannt sein, ob Peugeot mit dem innovativen Fahrzeugdesign an seinen letzten Erfolg von 2009 anknüpfen kann oder ob das Toyota Gazoo Team weiter bei den Hypercars dominiert.