Das Comeback des Gentlemans

Lange war er von der Bildfläche verschwunden, doch er ist wieder gefragt. Gentleman zu sein ist nicht nur eine Frage der Kleidung, sondern eine Lebenseinstellung. Auf der Suche nach einem wahren Gentleman muss man nicht
nach Paris, London oder New York blicken, drei herausragende Exemplare aus Salzburg verraten, worauf es wirklich ankommt. 

Text: Dominic Schafflinger
Fotos: Getty Images, Dominic Schafflinger, 
Milan Josipovic, Christopher Kierstein/Moosleitner

Es gibt sie noch, jene Unikate des klassischen Stils, die sich den Dresscode eines James Bond bewahrt haben, die sich erheben, wenn eine Dame an den Tisch tritt und die zu jedem Thema einen faszinierenden Gesprächspartner abgeben. Obwohl nie ganz weg, spricht man wieder über den Gentleman und schon allein dieser Umstand wird ihm nicht gefallen, denn er schätzt es nicht, im Mittelpunkt zu stehen. Zusätzlich weicht die Neuinterpretation meist beträchtlich vom Original ab. Wer Gaudís Sagrada Família in Barcelona kennt, weiß dass sie den Vergleich zur hochgotischen Kathedrale von Chartres nicht scheuen braucht, trotzdem wohnt der Sagrada ein gänzlich anderer Zeitgeist inne. So trifft auch eine junge Generation moderner Gents, die dem allgemeinen Lebensgefühl der 2020 eine frische Brise ‚Savoir-vivre‘ verleiht, auf die alte Garde an Charmeuren voll zeitloser Eleganz. 

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Alexander
Adlgasser 

„Genuss ist mein Metier“

Alexander Adlgasser ist ein wahrer Professor des guten Benehmens und des erlesenen Geschmacks. Der Maître und Sommelier mit dem Spitznamen ‚The Grape‘ besitzt 100 Stecktücher, 150 Seidenfliegen und 40 Manschettenknöpfe. Wer ihn trifft, fühlt sich an Stings ‚Englishman in New York‘ erinnert. „Ein britischer Maßanzug, Fliege und Manschettenknöpfe gehören zu meinem Stil“, erzählt er und überreicht seine Visitenkarte, handgeschrieben mit Mont Blanc Füller. „Die Queen schrieb immer nur mit Füllfeder und für den Gentleman ist das englische Königshaus immer Vorbild gewesen,“ erklärt Adlgasser und fährt fort: „Ich habe mein Leben der internationalen Top-Hotellerie und Gastronomie gewidmet und der Suche nach dem Hervorragenden. Das zeichnet den Gentleman aus, er gibt sich nie mit weniger zufrieden.“ Mit Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann schloss er während seiner Zeit im legendären Münchner Gourmettempel Aubergine Freundschaft. Zur Zeit des Kuba-Embargos schmuggelte ein großer Wirtschaftsmagnat für ihn Cohibas nach New York und seine weiblichen Stammgäste erkennt der Connaisseur oft blind am Parfum. „Es ist die ungeteilte Aufmerksamkeit, die ich vor allem meinen weiblichen Gästen widme. Jede Frau liebt es, wenn ein Mann Kleinigkeiten an ihr wahrnimmt.“ Im Gegensatz dazu, hat der Knigge, früher Bibel des Gentlemans, an Bedeutung verloren. „Es geht nicht darum, eine Kaffeetasse richtig zu halten. Benimmregeln müssen Sinn machen, ansonsten sind sie wertlos. Überhaupt sind es Neugierde und Wertschätzung, die den Gentleman ausmachen. Er kleidet sich gut, weil er sich selbst schätzt. Er ist immer auf der Suche nach Qualität, in der Begegnung mit Menschen wie bei auch bei Produkten. Er ist ein neugieriger Genießer, der das Leben liebt.“

Adlgassers Gentleman Know-how: 

  • Man geht immer hinter der Dame die Treppe hinauf und vor der Dame die Treppe hinunter. Im Falle eines Sturzes kann die Begleitung so nicht die Treppe hinunterfallen. Diese Regel macht vor allem Sinn, wenn sie hochhackige Schuhe trägt.
  • Grüßen Sie und bescheren Sie den Menschen, vor allem den Damen, Freude, dann werden Sie schnell als Gentleman bekannt sein. 
  • Interessieren Sie sich für die Geschichten hinter Menschen und Produkten, das hilft die Spreu vom Weizen zu trennen. 
  • Haben Sie immer eine gekühlte Flasche Champagner im Kühlschrank.
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Andreas
Enzenhofer

No Browns after Six

„Der Gentleman war nie ganz weg, aber er ist meist so unauffällig, dass man es glauben könnte“, schmunzelt Andreas Enzenhofer, der es wissen muss. Der Modeschöpfer, der einst bei Pierre Cardin in Paris lernte, fertigte in Salzburg über 40 Jahren lang Maß-Mode für Gentlemen. „Das traditionelle Handwerk feiert gerade eine Auferstehung, so viele kreative Menschen beginnen wieder mit ihren eigenen Händen zu fertigen. Dass handgemachte Hüte, Schuhe und Kleider wieder ins Rampenlicht treten, unterstützt den Trend zum Gentleman“, ist sich die Designikone sicher, oft werde dieser aber fälschlicherweise mit einem Dandy gleichgesetzt. Ein Gentleman ist immer zurückhaltend gekleidet, meist trägt er Anzug, fällt durch seine guten Umgangsformen auf und verfügt über ein ausgeprägtes Understatement. Der Dandy, der Ausdruck des modernen Instagram Zeitgeistes ist, trägt klassische, aber schrille Kleidung und möchte immer im Mittelpunkt stehen. Enzenhofer erinnert sich an den Designer Hubert de Givenchy, der ein vertrauter Freund von Audrey Hepburn und ihr Modedesigner war. Dieser pflegte sich elegant, aber trotzdem diskret zu kleiden, sodass die Aufmerksamkeit immer auf Hepburn ruhte und er im Hintergrund blieb. „Givenchy ist ein wunderbares Beispiel für den Stil eines wahren Gentlemans“, so Enzenhofer.

Mode Tipps von Andreas Enzenhofer:

  • Zu Tweed trägt man Norwegerschuhe und zum Dreiteiler glatte Lederschuhe mit Schnürsenkel.
  • Sakkos höchster Güte erkennt man an der offenen Knopfleiste am Ärmel, hier darf der erste Knopf offenbleiben.
  • Die Manschette reicht bei ausgestreckten Armen bis zum Sattelgelenk des Daumens. Englische Sakkos beginnen drei Zentimeter dahinter, italienische werden etwas länger getragen. 
  • Hochwertige Jeans von der Stange kaufen. Kaum ein Schneider kommt an die Qualität heran.

 Gentleman No-Gos:

  • Braune Schuhe nach 6 Uhr abends – „No Browns after Six“ 
  • Eine Uhr zum Frack  Sneakers zum Anzug bei offiziellen Anlässen
  • Krawatten mit Schnellverschluss oder zum Anstecken
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Mathias C.
Moosleitner

Selbstcoaching macht den Gentleman

Macht erst das Alter aus einem Jungspund einen Gentleman? „Heute tragen viele junge Menschen sogar in der Öffentlichkeit Jogginghosen und es heißt, dass guter Stil tot sei. Trotzdem gibt es viele, die großen Wert auf ihr Aussehen legen und sich bewusst gegen den Trend des ‚Style-Schlampig‘ stellen“, meint Mathias Moosleitner, der Nachwuchsgeschäftsführer des gleichnamigen Familien-Bauunternehmens. Der 26-Jährige ist in Salzburg als ‚Next Generation Gent‘ bekannt. „Zum Gentleman wird man nicht selbst, es sind die anderen, die dich dazu machen. Erst als die Eltern meiner Freundin mir sagten, dass ich ein wirklicher Gentleman sei, bemerkte ich, dass das ein Teil meines Wesens ist.“ Seitdem arbeitet er aktiv daran. „Was einen Gentleman auszeichnet ist, dass er Fragen an sich selbst stellt, seinen Charakter reflektiert und sich weiterentwickelt. Eine ruhige und bedachte Art und Charme lassen sich durchaus im Selbstcoaching perfektionieren. Der Gentleman geht diesen Weg bewusst.“ Da zum Gentleman auch Understatement gehört, ist es ein KO-Kriterium für Mathias Moosleitner, Statussymbole und Privates auf Instagram und Co zu posten. Aus diesem Grund behält er zum Beispiel seine Leidenschaft fürs Rennfahren für sich und teilt sie nicht öffentlich. Dass sein gesamter Freundeskreis ähnlich tickt, zeigt, dass die Werte des Gentlemans auch bei der jungen Generation wieder gefragter sind. Bei der Kleidung geht die Jugend aber ihre eigenen Wege, anstatt Anzug trägt der Next-Generation-Gent gutsitzende Jeans mit dezentem Hemd, Sakko und Sneakers.

Mathias Moosleitners Netiquette:

  • Die sozialen Medien und das Internet sind ein Segen für unsere Gesellschaft. Der junge Gentleman muss lernen, sie richtig zu benutzen.
  • In Gesellschaft bleibt das Handy aus, denn Gesellschaft zu haben, bedeutet dem echten Leben den Vorzug zu geben.  
  • Diskussionen führt man ruhig und sachlich, face to face. Im Netz zu streiten ist pure Verschwendung von Lebenszeit.  
  • Das Privatleben des Gentlemans ist privat. Die Sozialen Medien zerstören dieses wunderbare geheime Leben.  
  • Es geht nicht darum, wie viele Facebook Follower du hast, sondern wie viele echte Freunde.  
  • YouTube und Google sind die schnellste Möglichkeit, sich Wissen anzueignen und Wissen ist das Schwert des Gentlemans. 
  • Jede Information des Internets muss mindestens ein zweites Mal überprüft werden – ein Gentleman fällt nicht auf Fakenews herein.

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